GERMANICUS Tacitus 15.n.Chr.

Über den Besuch des varianischen Schlachtfeldes durch Germanicus


Die ihre eigenen Besitzungen verheerenden Bructerer schlug mit leicht gerüsteter Mannschaft Lucius Stertinius, von Germanicus abgesandt, und fand während des Mordens und Plünderns den Adler der 19. Legion, der mit Varus verloren worden war. In einem Zuge wurde alsdann das Heer bis zu den entferntesten Bructerem geführt und alles zwischen Ems und Lippe verwüstet, nicht fern vom Teutoburger Waldgebirge, in welchem, wie man sagte, die Reste des Varus und der Legionen noch unbestattet lagen.


Daher ergriff den Caesar das Verlangen, nun die letzte Schuld den Kriegern und ihrem Führer abzutragen, und das ganze anwe­sende Heer war ob der Anverwandten und Freunde tief zum Mitleid bewegt, ob der Unfälle des Krieges und des Loses der Menschheit. Nachdem Caecina vorausgeschickt war, um die verborgenen Schluchten des Waldgebirges zu durchspähen, und Brücken und Dämme über Sumpfgewässer und trügerische Felder aufzuführen, betraten sie die trauerreichen Orte, dem Blick wie der Erinnerung grauenvoll.


Das erste Lager des Varus deutete durch den weiten Umfang und durch die Ausdehnung des Feldherrnplatzes die Arbeit dreier Legionen unverkennbar an; weiterhin erkannte man an dem halbeingestürzten Wall und an dem flachen Graben, dass der hier schon zusammengeschmolzene Rest sich festgesetzt hatte. Mitten auf der Fläche lag bleichendes Gebein, so wie sie geflohen waren, wie sie Widerstand geleistet, bald zerstreut, bald angehäuft. Dabei lagen Trümmer von Waffen und Pferdegerippe; zugleich sah man vom an Baumstämmen befestigte Schädel; in den benachbarten Hainen standen die Altäre der Barbaren, an welchen sie die Tribunen und die Centurionen der ersten Reihen geschlachtet hatten. Dazu erzählten die, welchejene Niederlage überlebend der Schlacht oder den Banden entronnen waren, hier seien die Legaten gefallen, dort die Adler genommen worden; wo Varus die erste Wunde empfangen, wo er durch unselige Hand, durch selbstgeführten Streich den Tod gefunden; auf welcher Erhöhung Arminius gesprochen, wie viele Galgen für die Gefangenen, welche Gruben für die Hingerichteten bereit gehalten wurden, und wie er der Feldzeichen und Adler im Überrnut gespottet habe.


So bestattete denn das anwesende Römerheer im sechsten Jahre nach der Niederlage die Gebeine der drei Legionen, ohne dass einer erkannte, ob er fremde Reste oder die der Seinigen mit Erde bedecke, alle als Verwandte, als Blutsfreunde, und mit gesteigerter Erbitterung gegen den Feind, voll Betrübnis zugleich und Ingrimm. Den ersten Rasen zur Errichtung des Grabhügels legte der Caesar, so den größten Liebesdienst den Verstorbenen erweisend und am Schmerz der Gegenwärtigen teilnehmend. Dies billigte Tiberius nicht, sei es, weil er alles an Germanicus nachteilig deutete oder weil er glaubte, das Heer sei durch den Anblick der Erschlagenen und Unbestatteten gelähmt zum Kampf und furchtsamer gegen den Feind geworden.


Quelle: Publius CorneliusTacitus , Annalen , Erstes Buch, 60 – 62 (15 n. Chr.)


CAECINA Tacitus 15. n. Chr.


Dies war ein schmaler Weg zwischen weiten Sümpfen, einst von L. Domitius gebaut; das übrige Gelände war schlammig, sehr klebrig, morastig oder durch Bäche schlecht begehbar; ringsum allmählich ansteigende Wälder, welche Arminius besetzte, ...


Und alles war für die Römer gleich ungünstig; der Ort ein bodenloser Morast, beim Stehen instabil, beim Gehen schlüpfrig; die Körper beschwert durch die Panzer; auch die Wurfspieße konnten sie nicht aus dem Wasser schleudern.


Dagegen standen die Cherusker, Kämpfe in Sümpfen gewohnt, hochragenden Wuchses und mit mächtigen Lanzen, die auch noch von Ferne verwundeten.


Vierzig Jahre hatte Caecina gedient als Untergebener oder Vorgesetzter, mit Glück und Mißgeschick vertraut und darum unerschrocken.


Denn zwischen den Bergen und Sümpfen erstreckte sich eine Ebene dergestalt hin, dass sie nur eine schmale Heeresbreite zuließ.


Auch den Feldherrn erschreckte im Traum ein unheilvolles Vorzeichen: denn er glaubte, den blutüberströmt aus Sümpfen aufgetauchten Quintilus Varus zu erkennen und zu hören, der ihn gleichsam herbeirief, er sei aber nicht gefolgt und habe die nach ihm ausgestreckte Hand zurückgestoßen.


Bei Tagesanbruch verließen die an die Flanken geschickten Legionen aus Furcht oder Eigensinn Ihren Platz und besetzten eilig das Gelände jenseits des Morastes.



Quelle: Publius Cornelius Tacitus, Annalen , Erstes Buch, ( 64) – ( 65)

Gefunden 1514 in der Abtei Corvey bei Höxter

Original heute in der Bibliotheca Laurentia in Florenz