Theodor Mommsen Die Örtlichkeit der Varusschlacht


Gemeinsam ist nahezu allen Theorien, daß sie sich fast ausschließlich auf die antiken Schriftsteller stützen   außer TACITUS sind dies MANILIUS, STRABO, VELLEIUS PATERCULUS, FLORUS, CASSIUS DIO und SUETON  , deren Aussagen allerdings nicht eindeutig sind und in Einzelheiten einander häufig widersprechen. Tatsächliche, mögliche oder vermeintliche archäologische Quellen werden selten herangezogen.


Allein der Althistoriker und spätere Nobelpreisträger THEODOR MOMMSEN stützte seine Theorie 1885 in erster Linie auf Bodenfunde, und zwar auf Gold  (Aurei) und Silbermünzen (Denare) der Römischen Republik und des Augustus. Der Fundplatz dieser Münzen war eine Senke zwischen dem Kalkrieser Berg und dem Großen Moor am Nordrand des Wichengebirges, Luftlinie etwa 16 km nordöstlich von Osnabrück (zur Lage des Fundplatzes vgl. Abb. 1 3). Die Auffindung der Münzen in diesem Engpaß ist für das 18. und 19. sowie das frühere 20. Jhr. durch Osnabrücker Gelehrte, die die Funde teils mit der Niederlage des Varus 9 n. Chr., teils mit den Kriegszügen des Germanicus 15 16 n. Chr. in Verbindung brachten, mehrfach zweifelsfrei belegt. Mommsen ließ durch den Berliner Numismatiker Julius Menadier 1884 eine Sammlung römischer Münzen   1 Aureus, 179 Denare, 2 Asse   im Besitz der Fami­lie von Bar erfassen sowie alle Nachrichten über römische Münzfunde in und im Umkreis der Kalkrieser Niewedder Senke sammeln.


Aufgrund dieser Erhebungen und der Topographie des Fundplatzes kam MOMMSEN zu der Auffassung, hier den seit Jahrhunderten gesuchten Ort der Varusschlacht gefunden zu haben. Da MOMMSEN aber seine Theorie weder mit Funden von Milltaria noch von Kupfermünzen, d. h. dem eigentlichen »Soldatengeld«, untermauern konnte, wurde bald von vielen Seiten bestritten, dass der Fundniederschlag auf die Niederlage des Varus zurückzuführen bzw. überhaupt das Ergebnis kriegerischer Auseinandersetzungen zwischen Römern und Germanen sei. Darüber hinaus führte die Unsicherheit der Fundumstände vieler Münzen zu der häufig vertretenen Ansicht, die Münzen seien gar nicht in dem Engpaß gefunden worden. Diese Bewertung hatte schließlich zur Folge, daß der Fundplatz »Barenaue« (heute »Kalkriese Niewedde«) in der wissenschaftlichen Literatur der vergangenen Jahrzehnte kaum noch eine Rolle spielte.


Das Verdienst, den Blick der Wissenschaft erneut auf den Engpaß am Kalkrieser Berg gelenkt zu haben, gebührt Capt. J.A.S. Clunn.


Im Rahmen seiner ehrenamtlichen Tätigkeit für die Archäologische Denkmalpflege Osnabrück entdeckte er im Sommer 1987 einen Verwahrfund von römischen Silbermünzen - 160 Denare - und Schleudergeschosse aus Blei. Inzwischen ermöglichen , über ein großes Gebiet verteilt , 6000 Funde, Ausrüstungsgegenstände römischer Infantrie-und Kavallerieverbände sowie Geräte und Werkzeuge nichtkämpfender Einheiten, befestigte germanische Stellungen und Knochengruben sowie die Datierung der Funde von Gold-Silber- und Kupfermünzen in das Jahr 9 n.Chr. eine Verknüpfung mit der historisch überlieferten Varusschlacht.


Saltus Teutoburgensis


Die Angaben des TACITUS zu den Ereignissen des Jahres 9 n. Chr. führten zu einer Verdichtung der vermuteten Schlachtorte im ostwestfälischen Raum und seinen Nachbarlandschaften. Die Plätze der etwa drei Dutzend zumindest diskutierbaren Lokalisierungsversuche   insgesamt gibt es mehr als 700 Theorien   liegen fast alle in diesem Bereich, und zwar :


1. Am nördlichen Rand des Wiehen  und Wesergebirges (Nordtheorie Mommsen ),

2. Im Teutoburger Wald zwischen Oerlinghausen und Horn sowie

zwischen Teutoburger Wald und Weser (Lippische Theorie),

3. In der südöstlichen Westfälischen Bucht (Münsterländer Theorie)

4. Im östlichen Sauerland (Südtheorie).


Die »Lippische Theorie«, d. h. Schauplatz der Varusschlacht war das Lipper Bergland bzw. der Osning, dabei erfolgte eine Gleichsetzung Mitte des 16. Jhds. von saltus Teutoburgiensis und Osning durch den Paderborner Bischhof Ferdinand von Fürstenberg schließlich zu der Umbenennung des Osnings im Teutoburger Wald, was sich nicht zuletzt in der Errichtung des Hermann - Denkmals bei Detmold manifestiert hat.


Zwingend erforderlich ist die Identifizierung des saltus Teutoburgiensis des TACITUS mit dem Osning jedoch nicht. Vielmehr dürfte in der Ortsangabe saltus Teutoburgsensis eine zusammenfassende Bezeichnung für ein bewaldetes Berg  und Hügelland zu sehen sein, nämlich für das Weserbergland oder auch nur für das westliche Weserbergland, das für die römischen Truppen auf ihren Zügen in das Norddeutsche Flachland immer ein Hindernis darstellte. Der Standort des Germanicus würde sich dann immer noch haud procul Teutobugensis saltu befunden haben, während sich die Entfernungsangabe nicht mehr zwangsläufig auch auf das Schlachtfeld beziehen müßte. In diesem Fall könnten die Kampfhandlungen sowohl nah als auch fern des Standortes der Legionen des Germanicus stattgefunden haben. Für die Richtigkeit der Gleichsetzung von saltus Teutoburglensts mit dem Weserbergland und damit für die Möglichkeit, das Varusschlachtfeld auch in größerer Entfernung von den Quellgebieten von Eins und Lippe zu lokalisieren, könnten die umfangreichen Vorkehrungen sprechen, die Germanicus traf, um mit seinem Heer vom Gebiet der Brukterer zu den Kampfstätten zu ziehen (TACITUS, Annalen, Erstes Buch, 60, (3)). Diese aufwendigen Maßnahmen lassen eher an einen einige Tage währenden Marsch und nicht an einen relativ kurzen Weg denken.


Da sich nun aber in dem ganzen Terrain zwischen dem Osning mit seiner südlichen Fortsetzungen und der Weser einerseits, sowie der oberen Ems und Lippe andererseits keine Sümpfe vorfinden, die einer Armee verderblich werden konnten, so kann aus diesem Grunde in diesen Gegenden das Schlachtfeld nicht gefunden werden. In der Detmolder Gegend fehlen Moore, bei Barenaue heute Kalkriese –Niewedde sind noch heute große Restmoore ein unüberwindbares Hindernis.